Alles für die Tonne?
Neues zur Gewerbeabfallverordnung
von Harald Friedrich
10.4.2025

Recycling geht vor Entsorgung. Das gilt nicht nur im Haushalt, sondern auch für Gewerbeabäflle. Gerade hier sieht das Bundesumweltamt ein noch größeres Potenzial. Eine Novellierung wurde 2024 vom Bundesumweltministerium erarbeitet und von der Ampelregierung in den Bundestag eingebracht mit dem Ziel, die Neufassung zum 1. Juli 2026 in Kraft treten zu lassen.
Hintergrund für die Neufassung ist, die Recyclingquote von gewerblichen Siedlungsabfällen und von Bau- und Abbruchabfällen zu erhöhen. Nach Angaben der Ampelregierung sind gemischte gewerbliche Siedlungsabfälle zu 27 % der Gesamtmasse stofflich verwertbar. Nur 4 % werden aber tatsächlich recycelt.
Beruhigend klingt das Versprechen: „Der Wirtschaft entsteht weder durch die geänderten noch durch die neu begründeten Informationspflichten ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.“ Und das, obwohl der Katalog der Änderungen umfangreich ist: So soll ein Ausbau der Getrennterfassung beim Abfallerzeuger vorgesehen werden. Außerdem sind umfangreiche Dokumentationspflichten geplant, wenn von der Getrennthaltungspflicht abgewichen wird, sofern eine Getrennterfassung technisch oder wirtschaftlich nicht möglich ist.
Gerade bei Bau- und Abbruchabfällen beim Rückbau – und hier insbesondere bei Gipsabfällen – sind tiefgreifende Getrennthaltungspflichten vorgesehen. Hinzu kommen weitere Vorbehandlungspflichten für gemischt erfasste Abfälle.
Auch die Vorgaben technischer Mindeststandards für Sortieranlagen werden erhöht. So soll eine Sortierquote von 85 % der Eingangsmenge erreicht werden, um eine Recyclingquote von 50 % zu erreichen. Das hat strengere Kontroll- und Nachweispflichten für Betreiber von Sortieranlagen zur Folge.
Betriebe müssen nach den Plänen der Novelle bei Bau- und Abbruchabfällen auch weiterhin zehn verschiedene Stoffe trennen. Grundsätzlich ist zu dokumentieren, wie die Abfälle getrennt werden – oder warum sie nicht getrennt wurden. Dies kann der Fall sein, wenn es technisch oder wirtschaftlich nicht möglich ist. Den Nachweis dafür aber hat der Betrieb zu erbringen. Bei Bau- und Abbruchmaßnahmen gibt es eine Bagatellgrenze von 10 Kubikmetern.
Bei Bau- und Abbruchabfällen ist in zehn Fraktionen zu trennen:
Glas, Kunststoff, Metalle, Holz, Dämmmaterial, Bitumengemische, Baustoffe auf Gipsbasis, Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik.
Der Abfall muss grundsätzlich am Entstehungsort, auch im Dachdeckerhandwerk also auf Baustellen, getrennt werden. Gibt es auf der Baustelle keinen Platz für zehn Container zur Getrenntsammlung, entbindet dies den Betrieb aber nicht automatisch von der Sortierpflicht. Es gibt jedoch Ausnahmen: Wenn der Platz nicht für die Aufstellung mehrerer Container reicht, wenn das zu entsorgende Material untrennbar miteinander verbunden ist, wenn die Abfallmengen zu gering sind oder wenn die Verschmutzung zu hoch ist, kann von der Trennpflicht abgesehen werden. Und jetzt das große Aber: Die Betriebe müssen dann darlegen und dokumentieren, warum die getrennte Sammlung technisch nicht möglich ist oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist.
Können Betriebe ihre Abfälle aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht getrennt sammeln, müssen Gemische aus Bau- und Abbruchabfällen, die Kunststoffe, Metalle oder Holz enthalten, in die Vorbehandlungsanlage eines Entsorgers geliefert werden.
Ebenso müssen alle Bau- und Abbruchabfälle, die überwiegend Beton, Ziegel, Fliesen oder Keramik enthalten, in die Aufbereitungsanlage eines Entsorgers gebracht werden.
Für Betriebe, die bisher schon 90 % der Gesamtmasse ihrer gewerblichen Siedlungsabfälle getrennt erfassen, soll es eine Sonderregelung geben: Sie dürfen die restlichen 10 % gemischt erfassen und ohne Vorbehandlung thermisch verwerten lassen. Eine technische Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit ist dann nicht nachzuweisen. Jedoch ist durch einen Sachverständigen wie etwa einen Umweltgutachter nach dem Umweltauditgesetz bis zum 31. März des Folgejahres die Einhaltung der 90 Prozent-Quote im Vorjahr zu bestätigen. Eine Eigenerklärung des Unternehmens reicht da nicht aus.
Grundsätzlich ist die gesamte Abfallentsorgung dokumentationspflichtig. Die getrennte Sammlung ist anhand von Lageplänen, Fotos, Praxisbelegen (z. B. Liefer- oder Wiegescheine) nachzuweisen.
Sofern Betriebe getrennt gesammelte Abfälle zur Wiederverwendung oder zum Recycling übergeben, ist eine schriftliche Bestätigung vorgeschrieben. Diese Bestätigung ist von dem Unternehmen auszustellen, das die Abfälle entgegennimmt. Inhalt dieser Erklärung sind u. a. die Masse und der künftige Verbleib des Abfalls.
Die Getrenntsammelquote muss der Handwerksbetrieb auf Verlangen der Behörde für ein Kalenderjahr bis zum 31. März des Folgejahres nachweisen. Der Nachweis muss durch einen akkreditierten Sachverständigen geprüft werden.
Wie war versprochen worden: „Der Wirtschaft entsteht weder durch die geänderten noch durch die neu begründeten Informationspflichten ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.“
Kritisch sieht auch die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft e. V. (DGAW) die Novellierung der Gewerbeabfallverordnung.
Dies beginnt bereits bei der behördlichen Überprüfungspflicht der über 3 Mio. umsatzsteuerpflichtigen Betriebe. Da pro 100.000 Einwohner nur zehn Betriebe jährlich geprüft werden sollen, entspricht dies rein mathematisch einer Überprüfung von 8.500 Betrieben pro Jahr. Allenfalls alle 370 Jahre müsste also ein Betrieb mit einer Prüfung rechnen. Bemängelt wird von der DGAW auch die „fehlende Lebenswirklichkeit“: So hätten natürlich nicht alle Gewerbebetriebe den gleichen Gewerbeabfall. Außerdem würden die Gewerbebetriebe schon im Eigeninteresse einer sinnvollen Vermarktung bereits eine Abfalltrennung nach den unterschiedlichen Fraktionen vornehmen, anstatt die Abfälle ungetrennt und gegen hohe Gebühren entsorgen zu lassen.
In der Praxis gäbe es allerdings allein wegen des benötigten Platzbedarfs Grenzen für die unterschiedliche Trennung. Auch solle man doch auf die fachkundigen, regelmäßig zertifizierten Betriebe der Kreislaufwirtschaft vertrauen, die den Wert eines Abfalls erkennen und ganz sicher nicht gegen Geld an Müllverbrennungsanlagen liefern. Durchaus provokant stellt die DGAW die Frage, was eigentlich ohne Gewerbeabfallverordnung passieren würde und beantwortet diese Frage gleich selbst: nichts.
„Denn auch wenn es keine GewAbfV gäbe, müsste der Abfall gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz und den anderen einschlägigen Vorgaben erfasst und gesammelt und möglichst hochwertig verwertet werden. Dafür bedarf es keiner zusätzlichen Verordnung.“
Betriebsprüfung im 370-Jahre-Takt?
Die Verbände der Bau- und Abbruchwirtschaft – der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) und der Deutsche Abbruchverband (DA) – lehnen den Referentenentwurf zur Änderung der Gewerbeabfallverordnung entschieden ab. Die geplanten Änderungen sind unnötig, praxisuntauglich, hochbürokratisch und in keiner Weise geeignet, die Ziele einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zu fördern. Für jeden dieser Kritikpunkte gibt es fundierte Argumente, die auf praktischen Erfahrungen beruhen. Bereits die Evaluierung im Auftrag des UBA hat ergeben, dass die bestehende GewAbfV in wesentlichen Teilen an der Praxis vorbeigeht und im Kern nicht funktioniert. Die geplante Novellierung der GewAbfV löst die Probleme nicht, sondern schafft zusätzliche Bürokratie und verteuert das Bauen erheblich.
Bürokratischer und teurer für alle wird es unter anderem durch:
- zusätzlichen Aufwand für die Kennzeichnung, Überwachung und Kontrolle von Containern und Baustellen;
- zusätzlichen Aufwand für die Sortierung gleich geschlüsselter, nicht recycelbarer Abfallstoffe;
- zusätzlichen Aufwand für vergebliche Versuche einer Vorbehandlung nicht trennbarer und nicht recycelbarer Verbundstoffe;
- zusätzlichen Aufwand für die Abfall-Dokumentation jeder Baustelle; • zusätzlichen Prüfaufwand für Behörden und Müllverbrennungsanlagen mit Vor-Ort-Kontrolle durch eigenes Personal oder Sachverständige;
- zusätzlichen Transport- und Logistikaufwand wegen der Beschränkung der Kaskadennutzung bei gleichzeitigem flächigen Fehlen qualifizierter Vorbehandlungsanlagen;
- zusätzlichen Risikoaufschlag wegen fehlender Kalkulierbarkeit und Planbarkeit von Bauleistungen wegen fehlender Vorerkundungspflicht der Auftraggeber und nachgelagerter Vorbehandlungs- und Dokumentationspflichten.
Dazu kommen praxisferne und viel zu gering bemessene Begrenzungen bei der Nutzung von Baumischcontainern. Es drohen zudem Kapazitätsengpässe und Preissteigerungen durch die Begrenzung der Vorbehandlung auf maximal zwei Anlagen.
Zusammenfassung: Gemeinsam abgelehnt!
Der Entwurf der Gewerbeabfallverordnung ist in der aktuellen Fassung nicht umsetzbar. Das Dachdeckerhandwerk schlägt daher vor, die Novellierung zurückzustellen sowie die bestehende, nicht funktionierende Verordnung auszusetzen und im Anschluss zu prüfen, ob überhaupt noch eine GewAbfV in der vorliegenden Form gebraucht wird. Inzwischen sind viele Entsorgungsfragen wie Umgang mit Gefahrstoffen oder Ersatzbaustoffen bereits in anderen Verordnungen geregelt und müssen in einer separaten GewAbfV nicht nochmals aufbereitet werden. Die Abschaffung der bestehenden GewAbfV würde darüber hinaus für die Betriebe Rechtssicherheit herstellen, während die geplante Novellierung auch im Hinblick auf die unterschiedliche Interpretation und Umsetzung in 16 Bundesländern unscharf formuliert ist und Konflikte damit vorprogrammiert sind.
Die zusammengefassten Einwände von Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf und Philip Witte (ZVDH) wurden von den anderen beteiligten Zentralverbänden übernommen sowie über Zentralund Landesverbände bundesweit an Bundestagsfraktionen und deren Abgeordnete versandt. Gleichwohl hat die Ampelregierung noch vor ihrem Abtreten die Novellierung durch den Bundestag gebracht. Allerdings müssen auch die Bundesländer zustimmen.